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Pilze Pilze Forum Archiv 2012-13

Aktuelles von den Ritterlingen

Geschrieben von: Ingo
Datum: 11. Dezember 2013, 00:05 Uhr


Hallo Forum,

nachdem ich zeitweise auf Nebengleisen unterwegs war, fahre ich heuer mal wieder in unserem beliebten Hauptbahnhof ein. Irgendwie habe ich noch eine
Rechnung offen mit meinem Spezialgebiet. Stammleser werden wohl ahnen, was nun folgt.

Nachdem kurz hintereinander drei aktuelle Werke zum Thema Tricholoma auf den Markt geworfen wurden, musste ich das Ganze erst einmal studieren
- und verdauen. Zugegeben - es liegt mir immer noch ziemlich schwer im Magen. Ich glaube auch nicht wirklich, dass es nach diesem Post einfacher wird.
Aber Probleme löst man ja nicht, indem man die aussitzt. Das funktioniert nicht mal in der Politik, auch wenn unsere "Häuptlingin" scheinbar ganz gut damit fährt. ;-)

Gehen wir's mal sachte an. Da gab es die britischen Ritterlinge von Kibby und die amerikanischen von Bessette at al. Irgendwann im Frühjahr kamen dann auch
die lange ersehnten Fungi of Northern Europe - Vol. 4 von Christensen & Heilmann-Clausen auf den Büchermarkt. Ich fasse Letzteres mal zu FNE4 zusammen.

Meine eigentliche Spielwiese zu diesem Thema hat ja meist bräunliche Hüte, helle Lamellen und Stiele mit beiden Farbtönungen. Irgendwie albobrunneum,
wenn man es mal ins Latein überträgt.

Auf den Seiten 72 ff wird in den FNE4 eine Typusart wie folgt beschrieben:
Basionym: Agaricus albobrunneus Pers. (1801: 293). Type: Schaeffer (1762, Pl. 38)
Syn.: Tricholoma striatum (Schaeff.) Sacc. (unavailable); Tricholoma salero Barla.
Excl.: Tricholoma albobrunneum ss. Ricken (1915) and Marchand (1986) (=T. batschii);
T. striatum ss. Bresadola (1927), Bon (1984a, 1991) and Riva (1988) (=T. batschii).
Misappl.: T. stans ss. Bon (1984a, 1991) and Riva (1988)

Name: Tricholoma albobrunneum

Schon 'mal bei irgendeiner Artbeschreibung sowas gesehen?! Eigentlich ein Muster für eine Namensfindung, die ein wenig mehr Mut seitens der Autoren gefordert hätte.

einige Bilder:


Bei der beschriebenen Art handelt es sich um den kleinsten der braunen Ritterlinge, die in sauren, armen Kiefernwäldern auftreten. Meist an Wegrändern oder direkt im Sand.
Sie haben in der Regel Hutdurchmesser bis zu 5 cm. - selten mehr, und sind meist auch nicht höher gewachsen. Die Hüte sind in der Regel rundlich geformt
und neigen erst im Alter dazu, wellig zu werden. Die Huthaut ist meist hellbraun, mitunter ins Orange spielend, mit mehr oder weniger zahlreichen, dunkelbraunen,
deutlichen Fasern - also das, was gemeinhin als striat bezeichnet wird. An den zuerst hellen Stielen machen sich hellbraune Schüppchen oder Fasern breit. Beginnend von der Stielbasis
bis hin zur Stielspitze. Eine deutliche Übergangszone ist in den meisten Fällen nicht vorhanden. In wenigen Fällen, bei jungen Exemplaren mit besonders striater Hutoberfläche,
scheint der Farbübergang etwas deutlicher auszufallen. Velumreste am Stiel konnte ich persönlich noch nie beobachten. Zudem meine ich, dass da auch deshalb keine
Velumreste sein können, da die Hutränder eigentlich nie den Stiel berühren. Schon im Babystadium sind diese Ritterlinge meist voll aufgeschirmt.
Außerdem weist diese Art an den Huträndern niemals deutliche Rinnen auf, egal in welchem Altersstadium sich die Exemplare befinden.

mehr Bilder:


Diese Ritterlinge sind vom Geruch her anderen Arten aus der Sektion ähnlich, will heißen, sie riechen stark mehlartig. Vom Geschmack her sind sie, roh probiert,
nach wenigen Sekunden deutlich bitter. Milde Exemplare hatte ich noch nie beobachten können. Im Schnitt können leichte rötlich-braune Verfärbungen
auftreten - aber nicht immer. Die Lamellenschneiden neigen mit zunehmendem Alter zu hellbraun-flockigen Verfärbungen. Bei Berührung können die Verfärbungen
auch hier rötlich-hellbraun ausfallen. Die Lamellen sind teilweise untermischt und stehen mittelweit entfernt.


Ich beobachte diese Art mittlerweile seit einigen Jahren und finde, dass die aufgefundenen Exemplare, innerhalb einer gewissen Variationsbreite, allesamt in das
beschriebene Raster passen. Daher geht es hier eher weniger darum, ob es sich um eine gute Art handelt, sondern welcher Name wissenschaftlich korrekt ist.

Meine persönliche Ansicht ist, nach Durchsicht der Anmerkungen in den FNE4, dass der im südeuropäischen Raum angewendete Name Tricholoma stans für diese
Art nicht korrekt ist. Und zwar deshalb, weil dieser bereits von E. Fries für einen Ritterling aus dem direkten T. pessundatum-Umfeld vergeben wurde.
Das soll hier aber erst einmal nicht das Thema sein.

Meinen Zweifeln, bezüglich einer Benennung als Tricholoma albobrunneum, hatte ich hier bereits vor längerer Zeit einen extra Post gewidmet. Schon der ursprünglichen
Beschreibung von Persoon scheint wohl eine andere Art zu Grunde zu liegen. Siehe besagte Tafel 293. Falls Jemand die Originalbeschreibung auftreiben könnte,
fände ich das sehr hilfreich. Ich finde im www eben nichts dazu.

Sehr mutig finde ich auch seitens der Autoren, die Tafel 38 von Schaeffer (1762) als Basionym anzugeben. Diese zeigt deutlich eine Art mit Velumresten am Stiel.
Wobei es sich hier um die Typusbeschreibung von Tricholoma striatum handelt. Das Problem hierbei besteht nun darin, dass die Autoren der FNE4 eben diesem
Pilz den Artrang verwehren. Sie vertreten die Ansicht, dass es sich bei aufgefundenen Exemplaren dieser Art um ausgetrocknete oder fehlbestimmte Exemplare
von Tricholoma batschii/fracticum handen solle. Da ich der Ansicht bin, hier im Forum schon mehrmals aussagekräftige Abbildungen dieser Art
gesehen zu haben, beschleichen mich leichte Zweifel, ob die finale Klassifizierung so in Ordnung geht. Zumal Tricholoma striatum ja eher in sandigen,
montanen Nadelwäldern vorkommen soll und nicht auf Kalk.

Ich würde mich freuen, wenn ihr mir bei diesem Thema etwas weiter helfen könntet. Die oben gezeigten Ritterlinge sind, zumindest in den sandigen Kiefernwäldern,
vergleichsweise häufig anzutreffen.

Da ich wissenschaftlicher Laie bin, bin ich mir der Gefahr bewusst, mich heftig vergaloppiert zu haben. Die Autoren haben sicher viel Zeit und Wissen in ihr Werk investiert.
Wenn man diese Art als T. albobrunneum benennt, sollte man eventuell nicht auf Persoon zurückgreifen sondern eine spätere Beschreibung hernehmen, falls diese aus
wissenschaftlicher Sicht gültig ist. Vielleicht die von Ricken oder eine noch spätere.

Dass es in unseren Regionen noch weitere ähnliche Arten wie die oben gezeigten Ritterlinge geben sollte, hatte ich auch schon mal geschrieben.
So gibt es die kleinen braunen auch mit noch striaterer Huthaut und diese dann mit Rinnen am Hutrand. Diese haben aber auch keine Velumzone am Stiel und
somit auch nichts mit dem Original T. striatum zu tun.

Von anderen Pilzfreunden gab es hier neulich noch deutlichere Bilder von dieser Variation (?) zu sehen. Ob es sich hierbei um die in Amerika beschriebene
Art Tricholoma muricatum handeln könnte, dürfte wohl erst per Sequenzer nachgewiesen werden. Möglicherweise gibt es ja noch mehr Arten.
Eine langstielige, mit hellbraun-orangetönen hatte ich persönlich auch schon dabei. Ich meine, aus Niedersachsen gab es die auch schon im Bild zu sehen.

Aber das sollte hier nicht das Thema sein.

Grüßlis Ingo

Beiträge in diesem Thread

Aktuelles von den Ritterlingen -- Ingo -- 11. Dezember 2013, 00:05 Uhr
Re: Aktuelles von den Ritterlingen -- zuehli -- 11. Dezember 2013, 10:40 Uhr
Re: Aktuelles von den Ritterlingen -- Ingo -- 11. Dezember 2013, 23:51 Uhr
Persoons Beschreibung *PIC* -- Peter S. -- 11. Dezember 2013, 16:43 Uhr
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Re: Persoons Beschreibung -- Andreas -- 13. Dezember 2013, 22:08 Uhr
Re: Persoons Beschreibung -- Ingo -- 14. Dezember 2013, 00:33 Uhr
Re: Persoons Beschreibung -- Andreas -- 14. Dezember 2013, 23:57 Uhr
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Re: Entscheidender Tipp -- Andreas -- 15. Dezember 2013, 00:02 Uhr
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Re: Aktuelles von den Ritterlingen -- Ingo -- 15. Dezember 2013, 17:42 Uhr

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