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Pilzbestimmung für Anfänger

Geschrieben von: Werner
Datum: 10. November 2016, 12:16 Uhr

Antwort auf: Re: Unbekannter Pilz 3 (mushroomfrank)

Hallo Frank,

selbst wenn mal ein Posting als zu harsch empfunden wird oder vielleicht im Detail wirklich daneben ist (z.B. Kritik am Schnittbild Trichterling), das darf Dich nicht demotivieren.

Ich kann mich nur zu gut an meine Anfänge ernsthafter Pilzbestimmung Ende des letzten Jahrtausends bei Walter Pätzold erinnern und in den ersten beiden Kursen stand ich auch vor einer "Wand aus Pilzen". Gerade als Anfänger ist man versucht, sich Namen geben zu lassen und diese Pilze dann abzuhaken.

Aus meiner eigenen Erfahrung: davon habe ich so gut wie nie etwas gelernt und kam damit auch nie weiter. Denn tlw. war schon am nächsten Tag der gleiche Pilz mir wieder genauso unbekannt wie beim Erstfund.

Erst als ich begann, systematisch vorzugehen und mich ausführlich mit jedem einzelnen Pilz zu beschäftigen, kamen die ersten Aha-Effekte. Ganz wichtig dabei ist auch, dass man sich am Anfang nicht zu viele Pilze mitnimmt bzw. zu bestimmen versucht. Je nach Zeit sind 3 - 5 Arten, die man möglichst noch in Kollektionen mitnimmt (jung, mittelalt und alt) völlig ausreichend.

Weiter unten bei Deinem Champignon-Posting habe ich Dir schon ein paar Tips gegeben. Es bleibt nur was hängen, wenn man sich auch mal Papier und Bleistift in die Hand nimmt und mal alles aufnimmt, was ein Pilz einem so makroskopisch zeigt.

Dazu gehört auch, dass man sich mal Pilze vornimmt, die man schon kennt und das mit den Büchern abgleicht. So hatte ich anfangs z.B. mit vielen Begriffen der Mykologen Schwierigkeiten. Beispiel: Was sind freie Lamellen oder welche mit "Burggraben"? Dazu nahm ich dann damals z.B. einen Fliegenpilz und einen mir bekannten Ritterling (es ist gar nicht so wichtig, dass man dann dazu schon einen Artnamen hat). Das macht man ein paar Mal und plötzlich ist es klar, was Lamellen frei oder mit Burggraben bedeutet. Oder Sporenpulverfarben: was ist "Mykologen"-Rosa? Man nimmt da z.B. einen Rötling (Entoloma). Da ist es noch klar. Wenn man seinen ersten Mehlräsling findet, sollte man dann dessen Spp. auch mal anschauen - das hält jetzt nicht unbedingt jeder Anfänger für eindeutig "Rosa". Die Sporenpulverfarben der Täublinge sind dann weitere für die Bestimmung wichtige Indikatoren. Wenn man da ein paar Arten absporen lässt und vielleicht zwischen zwei Objektträgern, die mit Tesa zusammengepappt sind, aufhebt, geht ein weiteres Licht auf. Usw. usf.

Wichtig ist dann auch noch z.B. die Huthaut. Für Anfänger auch nicht leicht zu beurteilen. Was ist sparrig-schuppig, was ist glatt, was ist schleimig usw. Dazu kann man wieder wunderbare Eigenversuche anstellen. Hast Du z.B. einen Pilz bestimmt bekommen, der in den Büchern als schleimig bezeichnet wird, Deiner war aber aufgrund von Trockenheit für Dich alles andere als schleimig? Dann nimmst Du einen Tropfen Wasser (oder etwas Spucke) auf den Finger und tippst auf die Huthaut. Meistens wird dann auch klar, was gemeint ist.

Dies nur ein paar kleine Tips, die das Lernen viel erfreulicher machen - weil bald ein Grundgerüst entsteht, das man hat. Als ich derlei Dinge von Walter gelernt hatte, gingen mir ganze Lichterparks auf. Vorher sah ich hunderte von Pilzen, hatte einen Namen und dachte immer, ich hätte was begriffen. Weit gefehlt - denn der gleiche Pilz sieht je nach Wetter, Alter, Standort usw. anders aus. Wenn man aber konsequent die Merkmale mal notiert hat, wird es viel, viel leichter. Ein gutes Beispiel ist auch der Unterschied Stockschwämmchen/Gifthäubling. Man kann da auch prima im Internet Vergleichsbilder finden - in den Foren. (Allerdings generell Vorsicht bei Internetbestimmungen, immer nur als Zusatzhilfsmittel hernehmen, nie als alleinige Bestimmung). Hat man sich mal die Stiele beider Pilze in vielen Ausprägungen dazu angesehen, wird auch wieder so einiges klar.

Gerüche: Ich habe als Raucher auch viele Probleme damit. So rieche ich z.B. das "spermatisch" bei Inocyben fast nie, den Jodoform-Geruch von Russula turci nicht mehr. Aber es gibt Unmengen von Pilzen mit so eindeutigen Gerüchen - wie z.B. die Anis-Champignons - da habe selbst ich keinerlei Probleme. Wenn es z.B. bei Kälte oder Nässe nicht auf Anhieb klappt, kann man immer noch den Pilz an diversen Stellen ankratzen (z.B. Lamellen, Stiel) oder aufschneiden oder zuhause in einem geschlossenen Plastikbecher oder Glas ein, zwei Stunden im Warmen liegenlassen (nicht zu lang, sonst riechst Du nur noch Gammel).

Am besten baust Du Dir mal eine makroskopische Grundcheckliste, was Du alles bei einem Pilz anstellen kannst, um der Bestimmung näher zu kommen. Das ist keine Hexerei und unheimlich hilfreich. Nur so habe ich damals wirklich Fortschritte gemacht. Und das macht dann auch richtig Freude.

Und noch einmal: fange mit Pilzen an, die Du schon kennst. Nimm dann erst Deine Checkliste, schreibe alles auf, was Du dazu am Pilz findest. Dann nimm ein Pilzbuch und lese die Beschreibung sorgfältig durch. Bei allem, was in der Beschreibung für Dich jetzt nicht auf Anhieb klar ist, sehe am Pilz nach. Du wirst vielleicht mal einzelne Merkmale lt. Buch nicht an Deinem Exemplar klar sehen können, aber Du lernst unheimlich viel dabei.

Dies nur mal als Hilfestellung dafür, dass die Pilze bald kein Buch mit sieben Siegeln mehr sind. Ganz wichtig ist dabei das eigene Erarbeiten - und das selber Aufschreiben auf einem Blatt Papier. Denn nur mal so drüberschauen und geistig "vermerken" bleibt bei Weitem nicht so gut hängen wie das wirklich Erarbeitete. Glaube es mir, eigene (leidvolle) Erfahrung.

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