Wer hat meine Steinpilze gestohlen?

von: Joachim Rippel

FREITAG.

Endlich ist es Herbst. Ich sitze im Büro und warte auf das Wochenende. Die ganze Woche war schon super "Pilzwetter". Morgen gehe ich "in die Pilze". Am besten stehe ich sehr früh auf, sonst ist die "Konkurrenz" schon vor mir im Wald. Naja so groß ist die Gefahr eigentlich nicht. Mein geheimes Steinpilzwäldchen kennt bestimmt keiner. Ach, fast hätte ich vergessen meine Freunde zum Pilzessen einzuladen. Die werden wieder schön neidisch dreinschauen. Ich werde Berge von Steinpilzen auftischen. Dazu gibt es Rinderfilet, na gut, dass wird schon einiges kosten, dass ist es mir aber wert.

SAMSTAG früh am morgen.

Jetzt wird es aber Zeit, es ist schon 7 Uhr, ich muß mich beeilen dass ich noch vor der "Konkurrenz" im Wald bin. Rein ins Auto und los geht's. Es macht einfach Spaß so früh morgens durch den Odenwald zu fahren. Oh, da stehen ja schon eine Menge Autos an den Waldwegen. Das werden wahrscheinlich Wanderer sein, oder Hundebesitzer die mit ihrem Hund "Gassi" gehen. Kann mir auch egal sein, mein Steinpilzwäldchen kennt ja sowieso keiner. Geschafft, endlich bin ich an "meinem" Waldweg. Und weit und breit keine Sammelkonkurrenz zu sehen. Ich hatte auch gar nichts anderes erwartet. Es zahlt sich nun halt mal aus wenn man ein "Pilzkenner" ist. Jetzt aber los, bevor doch noch "Konkurrenz" auftaucht. Zum Glück habe ich mir einen neuen Korb gekauft. Da gehen gut und gerne 20 Kilo rein. Hoffentlich reicht der überhaupt. Wir werden ja sehen. Da ist er ja, mein Steinpilzwald! Jetzt das Messer raus und ran an die Arbeit. Was ist das denn? Ich bin bestohlen worden. Da hat irgend so ein "Steinpilz - Dieb" mir meine Pilze gestohlen. Jede Menge "Schnittstellen". Das waren mindestens 15 Kilo, die er mir gestohlen hat. Was für ein Frevel, dass müsste verboten werden. Hätte er nur 2 Kilo Steinpilze abgeschnitten, dann wäre für andere Pilzfreunde auch noch was übrig geblieben. so ein Mist, was mache ich jetzt? - Diese Blamage! Meine Freunde werden mich auslachen. Ich höre sie schon lästern "Du bist "Du bist ja ein schöner Pilzkenner, kaufe dir deine Pilze lieber auf dem Markt" Wie peinlich!

Vielleicht hat der Pilzdieb ja ein paar Steinpilze übersehen. Tatsächlich: da stehen noch einige, was heißt einige, da sind noch mindestens 15, nein 30 Steinpilze! Aha, da hat der Pilzdieb wohl Tomaten auf den Augen gehabt. Meinen Adleraugen entgeht nichts. Ich sehe noch den kleinsten Steinpilz. Der eine hat es, der andere halt nicht. Jetzt aber schnell die Pilze abschneiden, in den Korb damit, und fröhlich zum Auto schlendern. Die Freunde werden bestimmt vor Neid platzen. Nanu da kommt mir einer entgegen, ob das auch ein Pilzsammler ist? Nein! Der hat ja keinen Korb oder Plastiktüte dabei. Aber eine Kameratasche, ob der darin seine Pilze verstaut? - Ja natürlich damit kein "Konkurrent" seine Pilzbeute sieht. Als Pilzfachmann muss ich ihn warnen, ich war ja auch mal ein Anfänger. "Hallo, guten Morgen, Sie wollen doch nicht etwa in dieser Tasche ihre Pilze sammeln? Da schwitzen die Pilze und werden schlecht". So, jetzt habe ich zu erkennen geben, dass ich ein Pilzkenner bin. "Nein, ich sammele heute keine Pilze, in der Tasche ist mein Fotoapparat, damit mache ich Bilder von seltenen Pilzen. Mein Name ist übrigens Georg Fungis ich bin ein geprüfter Pilzsachverständiger". Oha, so einer ist das. Sammelt angeblich keine Pilze, ein Ökospinner also. Nicht selbst sammeln aber gierig auf meinen Korb starren. "Was Sie im Korb haben, sind keine Steinpilze, es sind Gallenröhrlinge, ein nicht giftiger aber absolut ungenießbarer Pilz", sagte Fungis. Was schwätzt denn der da für einen Unsinn? Er will mir wohl meine Steinpilze vermiesen. Mit mir nicht. Ich kenne doch Steinpilze! "Also, Herr Fungis, von Ihnen lasse ich mir nicht meine Steinpilze miesmachen, knipsen sie nur ruhig Ihre seltenen Pilze, und lassen sie Speisepilzsammler in Ruhe, schönen Tag noch". - Dem habe ich es aber gegeben. Und jetzt schnell weg. Herr Fungis war geschockt. Er hat es doch nur gut gemeint. Endlich zu Hause. "Hallo Schatz, schau mal, ich habe jede Menge Steinpilze gefunden. Schnell putze sie, unsere Freunde kommen gleich." Nach 10 Minuten Pilzeputzen kam die Frage: "Sind das wirklich Steinpilze? Die haben dieses Jahr so rosa Röhren, im letzten Jahr waren sie doch grünlich oder? "Aber Schatz, Du verstehst doch überhaupt nichts von Pilzen. Die Grünen waren noch nicht richtig reif. Das ist wie mit den Tomaten, die Grünen sind unreif und die Roten sind reif"

SAMSTAG mittag, die Freunde sind da, das Essen ist fertig.

"So schaut mal, was es heute gutes gibt, Steinpilze mit Rinderfilet, etwas ganz feines". Ich spürte förmlich die Bewunderung meiner Freunde. Das sah aber auch wirklich gut aus, das Filet schön garniert mit den Steinpilzen. Das macht schon was her. "Pfui Teufel, die Pilze sind ja gallenbitter, willst Du uns vergiften?" Ich erstarrte, was hat da eben der Hugo gesagt? Meine Steinpilze sollen bitter sein? Und dann kam der vernichtende Kommentar vom Heinz, ausgerechnet vom ihm: "Ich habe gedacht wir sind Freunde, warum willst du uns vergiften? Wenn Du keine Ahnung von Pilzen hast, dann sammele lieber keine, oder frage jemanden, der davon etwas versteht."Ich werde auf jeden Fall bei Dir keine Pilze mehr essen." Das saß. Alle stimmten dem Heinz zu. Ich war erledigt. Ich machte noch einen letzten Versuch um mich zu verteidigen. "Nun stellt euch nicht so an. Das sind ganz sicher Steinpilze. Ich merkte auch, dass sie ein wenig bitter sind. Das kann nur mit der Umweltverschmutzung zusammenhängen." Ich merkte gleich das glaubt mir keiner, aber es war einen Versuch wert. Aber dann kam es knüppeldick, meine Frau hatte ein Pilzbestimmungsbuch parat und sagte die Worte, die endgültig mein Pilzwissen in Frage stellten: "Du Schatz, ich habe auf Seite 23 ein Bild von einem Steinpilz, und auf Seite 24 ein Bild vom Gallenröhrling gefunden. Ich bin mir ganz sicher, dass die Pilze, die ich geputzt habe, keine Steinpilze waren, sondern eindeutig Gallenröhrlinge. Aber ich kann auch Entwarnung geben, die Gallenröhrlinge sind zwar extrem bitter, aber nicht giftig." So, dass war's dann. Hätte ich doch nur auf den pilzsachverständigen Herrn, äh wie hieß der noch gehört. Ach ja Fungis oder so. Ich habe mich kleinlaut bei meinen Freunden entschuldigt, und versprochen, dass ich bei einer, von einem Pilzsachverständigen geführten, Pilzwanderung teilnehme.

Alles in allem hatte ich noch einmal Glück gehabt. Aber Strafe muß sein, beim nächsten Stammtisch habe ich eine "Runde" ausgegeben.



©Joachim Rippel, Joachim.Rippel@t-online.de


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