Geruchs- und Farbstoffe der Rutenpilze

von: Tjakko Stijve, Sentier de Clies no 12, 1806 St Légier, Schweiz

Zusammenfassung
Dieser Übersichtsartikel beschreibt die Versuche die üblen Gerüche der Stinkmorchel, Phallus impudicus, chemisch zu charakterisieren. Gemäss neuerer Forschung bestehen die flüchtigen Verbindungen, die von diesem Pilz gebildet werden, hauptsächlich aus Dimethyldisulfid, Dimethyltrisulfid, Linalol, trans-Ocimen, Phenylacetaldehyd und Essigsäure. Ein Teil dieser Geruchsstoffe wurde auch im Dampfraum eines frisch ausgelaufenen Clathrus ruber Mich. ex Pers. nachgewiesen. Diese flüchtigen Komponenten werden zweifellos gebildet, um die mit der Sporenverbreitung betraute Fliege anzulocken, wobei diese Attraktion noch von der hellroten Farbe des Rezeptaculums der verschiedenen Rutenpilze erhöht wird. P. impudicus, der nicht mit diesen roten Farbstoffen ausgestattet ist, produziert einen stärkeren Kadavergeruch als der rotpigmentierte C. ruber und Anthurus archeri. Die Pigmente, die für die orange- roten bis roten Farben in Mutinus caninus, Phallus rugulosus und C. ruber verantwortlich sind, wurden als Karotene, d.h. hauptsächlich als Lycopen und beta-Karoten identifiziert.

Rutenpilze gehören zur Familie der Phallaceae ( Ordnung Phallales ), die durch den kadaverartigen Geruch, der vom Hymenium der völlig entwickelten Fruchtkörper gebildet wird, charakterisiert werden. Dieser Geruch lockt Aasfliegen und -Käfer an. In der Pflanzenwelt haben die farbigen Blumen der Araceae-Familie ähnliche Merkmale : Insekten werden von weiter Entfernung durch die Geruchsstoffe angelockt und diese Attraktion wird durch die hell- oder purpurrote Farbe der Blumen noch erhöht. Das Rezeptaculum vieler Rutenpilze, z.B. Mutinus ravenellii, Clathrus ruber und Aseroe rubra fallen auch durch ihre rote Farbe auf. Die Insekten verbreiten den Pollen der Blumen, während jene, die von den Rutenpilze angelockt werden, den Schleim der reifen Gleba fressen und auf diese Weise die Sporen verbreiten, die ja mit dem Kot ausgeschieden werden ( Fulton, 1889 ). Diese Sporenverbreitung durch Insekten zeigt, dass Rutenpilze spezialisierte Organismen sind, die hoch auf der Evolutionsleiter eingestuft sind. Wie schon in einer früheren Arbeit erwähnt ( Stijve, 1994 ), gehören diese seltsamen Pilze aber nicht zu den bedrohten Arten.

Rutenpilze existieren in vielen Formen und man könnte sich fragen, ob alle diese Variationen wirklich zu einer effizienten Sporenverbreitung notwendig sind. Gewisse Arten, wie die gemeine Stinkmorchel mit ihrem bedeutungsvollen lateinischen Namen ( Phallus impudicus ) , sind so auffällig, dass sie der Gegenstand ausgedehnter Monographien waren, lange bevor anderen und 'nützlicheren' Pilzen solche Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Es geht über das Ziel dieser Arbeit, einen historischen Überblick der Abhandlungen, die die Stinkmorchel zum Gegenstand haben, zu geben. Der interessierte Leser weiss vielleicht, dass die ältesten lateinischen Monographien aus dem frühen 17. Jahrhundert stammen ( Hadrianus, 1601 ). Sehr gute Übersichtsartikel gibt es von Lütjeharms ( 1931 ) und Ramsbottom ( 1953 ). Letzterer Autor widmete Kapitel 16 seines jetzt klassischen Buches den ´Stinkhorns and other Phalloids´. Die vorliegende Arbeit möchte alles, was bis jetzt über Geruchs - und Farbstoffe der Rutenpilze bekannt ist, besprechen .

Geruchsstoffe
Der erste Wissenschaftler, der Phallus impudicus zum Gegenstand einer chemischen Untersuchung machte, war Jacobus Christian Schaeffer ( 1760 ). Die sehr gut lesbare und reich illustrierte Monographie kann man heute noch in spezialisierten Antiquariaten finden, wobei man mit einem Preis zwischen 600 und 1200 DM rechnen muss. Schaeffer war nicht nur ein bekannter Naturwissenschaftler, sondern auch ein evangelischer Pfarrer. Wohl aus diesem Grund vermied er die Bezeichnung ´Phallus´ in seiner Monographie und schrieb : "Die Vergleichung, welche die meisten Schwammschreiber mit einem gewissen Teile des menschlichen Körpers machen, übergehe ich mit Stillschweigen." Wir können Schaeffer diese Prüderie leicht verzeihen, denn er war ein guter Beobachter und ein ausgezeichneter wissenschaftlicher Schriftsteller. Man könnte sogar sagen, dass jedermann, der sich mit Rutenpilzen beschäftigt, die 36 Seiten der Schaefferschen Abhandlung sorgfältig durchlesen sollte, denn seine Aufmerksamkeit für Details und seine Beschreibungen sind hervorragend. Ein Beispiel : in meinem vergleichenden Studium der Oligo-Elemente in den verschiedenen Teilen des Roten Gitterlings - einer verwandten Art - wurde postuliert, dass die dicke gallertige Schleimschicht des Hexeneies ein Mineralienreservoir ( Placenta ) für das embryonale Rezeptaculum sei ( Stijve, 1994 ). Diese Idee wurde schon 1760 antizipiert, denn wir lesen in Paragraph 83 der genannten Monographie : "Nichts siehet einem Eye der Thiere gleicher , als dieses Schwammeye. Es hat ausser seinen Häuten sein besonders Gewebe, welches den Mutterkuchen zu vertreten scheinet. Die erste äussere Haut, so nicht selten faltig und runzelig ist, kommt dem Chorion; und die innere Haut so glatt ist, dem Amnion gleich. Zwischen beiden ist eine gallerige schleimige Feuchtigkeit, wie bei einer menschlichen Frucht der Liquor amnii".
Beim damaligen Stand der analytischen Chemie können wir von den Untersuchungen Schaeffers bezüglich der Zusammensetzung des Eies und der Gleba wenig erwarten. Trotzdem, seine Experimente mit dem Schleim des Eis – Wasserlöslichkeit, Rekonstitution, die Fähigkeit Papier zu kleben – veranlassen ihn diesen mit den in seiner Zeit schon bekannten Verdickungsmitteln wie Tragant oder Gummi arabicum zu vergleichen. Erst zwei Jahrhunderte später ( Bindler, 1967 ) wird nachgewiesen, dass dieser Schleim, so wie die erwähnten Pflanzengummis, zu den Polysacchariden gehört.
Der Regensburger Wissenschaftler staunt wegen der verschiedenen Gerüche des Pilzes: das Hexenei riecht nach Meerrettich, ein Geruch den Schaeffer auch an einem wässerigen Extrakt des Schwammfusses beobachtet. Dieser Geruch hat aber nichts gemein mit dem kadaverartigen Gestank der ausgelaufenen Stinkmorchel, und Schaeffer macht die Schlussfolgerung “ wie unvollkommen noch die Kenntnis der Schwämme überhaupt ist.” Seine Hypothese über die Bildung des Gestankes beim Zerfliessen der Gleba ist im Einklang mit den wissenschaftlichen Kenntnissen seiner Zeit : "das grünliche Wesen des Hutes geräthet an der Luft in eine Gährung, die den starken Geruch und bald die Auflösung in den Schleim verursachet."

Erst ein halbes Jahrhundert später ( Braconnot 1811, zitiert bei Freund, 1967 ) wird die Stinkmorchel aufs Neue untersucht. Die gefundenen Bestandteile wie "mucus, matière animale" und "fongin très animalisé" sind schwierig zu deuten, aber Braconnot berichtet auch vom Vorkommen essigsaurer Kalium- und Ammoniumsalze im Hexenei. Ausserdem wurde ´le sucre des champignons´ nachgewiesen, womit das wenig süsse Mannitol, ein Inhaltstoff mancher Pilze, gemeint ist.
Wir müssen bis weit ins 20. Jahrhundert warten, bis es Aye ( 1932 ) gelingt ein flüchtiges Oel aus Stinkmorchelköpfen mittels Wasserdampfdestillation zu isolieren. Der Geruch des Destillates ist aber gegenüber dem frisch ausgelaufenen Pilz verändert und es zeigt sich, dass die Geruchsstoffe nur teilweise mit organischen Lösungsmitteln ausgeschüttelt werden können. Dieser Extrakt erwies sich als schwefelhaltig.
In den 60er Jahren sind die Techniken zur Isolierung flüchtiger Stoffe, wie Tieftemperatur-Vakuumdestillation, erheblich verbessert. Es ist dann auch möglich Geruchskomponenten - ohne Destillation - gleich im Dampfraum aufzufangen und, ohne oder mit Derivatbildung, zu analysieren. Bernard Freund ( 1967 ), der die Geruchsstoffe der Stinkmorchel zum Gegenstand seiner Dissertation macht, wendet diese Techniken erfolgreich an. Die damit verbundene Arbeit sollte nicht unterschätzt werden. So war es natürlich nötig viele Hexeneier zu sammeln und sie im Labor aufgehen zu lassen, bis die reife Gleba deutlich verschleimt und die Geruchsstoffe gebildet waren. Man kann daraus schliessen, dass in den Jahren 1965 und 1966 das Marburger Institut für Pharmazeutische und Lebensmittelchemie einen charakteristischen aasartigen Geruch aufwies !! Die verschleimten Gleben wurden tiefgefroren und bei -20°C aufbewahrt. Auffällig war, dass das Material auch in diesem Zustand noch deutlich roch, was auf das Vorliegen leicht flüchtiger Verbindungen hinweist. Nach dem Aufarbeiten mehrerer kg Pilzmaterial in verschiedene Fraktionen, konnte Freund folgende Ergebnisse rapportieren :

Verbindung

Schwefelwasserstoff
Methylmerkaptan
Phenylacetaldehyd
Phenylessigsäure
alpha-Phenylcrotonaldehyd
Acetaldehyd
Formaldehyd
Essigsäure
Dihydrochalcon
Geruch

faule Eier
fauler Kohl
hell, Grasgeruch, Grünnote
widerlich süsslich
dunkle, umgewühlte Erde
stechend
stechend
sauer
hell, frisch


Der Geruch der Gleba ist nicht in allen Entwicklungsstadien gleich. Die erstgenannten Stoffe sind am flüchtigsten und wahrscheinlich die Träger der aasartigen Komponente. Wenn das reife Hexenei sich öffnet und der Pilz aufgeht, ist die Gleba noch mattgrün und hart. Der Geruch ist dann schwach, etwa nach Rettich, aber bald beginnt die Gleba an einzelnen Stellen unter Dunkelfärbung zu zerfliessen, wobei der eigentliche Aasgeruch, der die Fliegen von Weitem anlockt, gebildet wird. Sehr charakteristisch für den eher süsslichen und anhaltenden Geruch der reifen Gleba sind die weniger flüchtigen Verbindungen Phenylacetaldehyd, Phenylessigsäure und Dihydrochalcon. Während der Verflüssigung der Gleba, zweifellos einem enzymatischen Vorgang, finden viele chemische Reaktionen statt; gewisse Geruchsstoffe werden aus anderen gebildet, z.B. die Säuren aus den Aldehyden. Die Gleba ist sozusagen eine Chemiefabrik. Es ist etwas erstaunlich, dass Freund ( 1967 ) , trotz seiner umfangreichen Untersuchungen, nie versucht hat, die Bildung der Geruchsstoffe aufzuklären. Sogar die Beobachtung, dass der Geruch der Stinkmorchel nicht in allen Stadien ihres Daseins gleich ist, entlockt Freund keine Ueberlegungen bezüglich der Genese der von ihm identifizierten Geruchskomponenten. In seiner Arbeit fehlt eine Diskussion der Tatsache, dass während und nach dem Aufgehen des Pilzes Gramme chemischer Stoffe umgewandelt werden. Wohl findet er mehr oder weniger zufällig viel freie Glucose in der reifen Gleba, aber diese sehr wichtige Beobachtung bleibt ohne Kommentar.
Stijve ( 1965, 1966 ) fand bei der Untersuchung vergleichbaren Materials ebensoviel gebundene Glucose in der embryonalen Gleba ( des Eis ) wie freie Glucose in der verflüssigten Sporenmasse der reifen Stinkmorchel. Er vermutete deshalb, dass die Geruchsstoffe durch eine progressive enzymatische Spaltung von in der Gleba anwesenden Glykosiden freigesetzt werden. Diese Hypothese wird von der Beobachtung, dass man bei niedrigen Temperaturen ( 0 – 5°C ) oft geruchlose Stinkmorcheln findet, unterstützt. Enzymatische Reaktionen haben ja ein Temperatur-Optimum, das im allgemeinen weit über 10 °C liegt. Klaassen ( 1964 ) entdeckte, dass der Geruch nach dem Trocknen von Hut und Gleba durch einfache Befeuchtung mit Wasser regeneriert werden konnte, was man wohl mit der Reaktivierung der Enzyme erklären könnte. Bedauerlicherweise hat sich während der darauffolgenden 30 Jahre kein Forscher die Mühe genommen, diese hypothetischen Enzyme aus der Gleba zu isolieren, obwohl dies doch keine Hexerei sein sollte.
Erst in den 90er Jahren wird das "Aroma" des Phallus impudicus aufs Neue untersucht. Drei schwedische Wissenschaftler ( Borg-Karlson et al., 1994 ) bemerkten , dass der Geruch der Voodoo Lilie, Sauromatum guttatum, jenem der Stinkmorchel sehr ähnlich ist. Ausserdem gehörten die von beiden Organismen angelockten Aasfliegen zu denselben Gattungen. Diese Beobachtungen waren eine Anregung eine vergleichende Untersuchung der flüchtigen Geruchsstoffe von S. guttatum und P. impudicus durchzuführen. Mit der dazu verwendeten Technik der "Effleurage" wurden die flüchtigen Geruchsstoffe an einer kleiner Menge Porapak Q , einem synthetischen Polymer, adsorbiert und anschliessend mit Pentan und Diethylether extrahiert. Die Extrakte wurden gaschromatographisch mit massenspektrometrischer Detektion analysiert. Die Tabelle I gibt eine vereinfachte Uebersicht der erhaltenen Resultate.
S. guttatum hat, wie die Stinkmorchel, methylierte Sulfide als überwiegende Aasgeruchskomponente, wobei die wichtigste das Dimethyltrisulfid ist. Diese Schwefelverbindungen sind aber ziemlich flüchtig und es ist darum nicht unwahrscheinlich, dass durch die während der Extraktion und Analyse auftretende Verluste eine kleine Menge Dimethylsulfid im Extrakt der Stinkmorchel fehlt. Beide Organismen produzieren niedrige Konzentrationen an 3-Caren und 2-Phenylaethanol. Es gibt aber auch beachtliche Unterschiede : unter den Geruchskomponenten der S. guttatum finden wir die nach Kot riechenden Stoffe Indol und Skatol, und eine Serie von Terpenen, die im "Aroma" der Stinkmorchel offenbar fehlen. Demgegenüber steht, dass einer der quantitativ wichtigsten Geruchsstoffe des P. impudicus, das trans-Ocimen, nicht von der Blume produziert wird, obwohl eine kleine Menge des cis-Isomers gefunden wurde.

Geruchstoff

Schwefelverbindungen
Dimethylsulfid
Dimethyldisulfid
Dimethyltrisulfid
Dimethyltetrasulfid
Stickstoffverbindungen
Indol
Skatol
Terpene
6-Methyl-5-hepten-2-on
3-Caren
Myrcen
cis-Ocimen
trans-Ocimen
alpha-Pinen
alpha-Terpinen
Geraniol
Linalol
alpha-Farnesen
alpha-Caryophyllen
beta-Caryophyllen
Aromatische Verbindungen
Anisol
Benzylalcohol
Acetophenon
Phenylacetaldehyd
2-Phenylethanol
Aliphatische Verbindungen
Essigsäure
S. guttatum


+
++
+++
+

+
+


+

+


+
+



+

+

+

+


P. impudicus



++
+++





+
+
+

+++
+


++
+
+



+

+++
++

+
TABELLE I : Geruchsstoffe aus Sauromatum guttatum und Phallus impudicus
+ = < 2% , ++ = 2 – 20 %, +++ = > 20 % der totalen Menge flüchtiger Stoffe

Die Ergebnisse für die Stinkmorchel unterscheiden sich stark von den von Freund ( 1967 ) rapportierten. Freund fand als Schwefelverbindungen nur Schwefelwasserstoff und Methylmerkaptan, die jedoch von dem schwedischen Team nicht beobachtet wurden. Ausserdem fand Freund kein Linalol oder trans-Ocimen, aber seine überwiegend klassischen Derivatbildungstechniken waren dazu auch weniger geeignet. Dagegen hat er wohl Acetaldehyd, Formaldehyd und Phenylessigsäure, also Stoffe, die in der Veröffentlichung der Schweden fehlen, nachgewiesen. Obwohl die Resultate von Borg- Karlson und Mitarbeitern wahrscheinlich zuverlässiger sind – wegen ihrer überlegenen Analysentechniken – bedeutet dies nicht, dass sie völlig Recht haben. Die Freund'sche Dampfraum-Derivatbildungstechnik ist überzeugend und es ist durchaus möglich, dass die Schweden die flüchtige Alkanale übersehen haben. Weiter ist es wahrscheinlich, dass bei der sehr aufwendigen Aufarbeitung der Freund'schen Extrakte, ein Teil des Phenylacetaldehyds in Phenylessigsäure übergeführt wurde.
Wie die Geruchsstoffe gebildet werden, ist übrigens noch immer nicht untersucht worden, aber Borg-Karlson et al. weisen darauf hin, dass sowohl die Gleba als auch die braunpurpur gefärbte Narbe der Blume während Freisetzung der flüchtigen Stoffe deutlich wärmer werden, vermutlich wegen eines enzymatischen Abbauprozesses. Die methylierten Sulfide sind vermutlich Lockstoffe für Aasfliegen, denn diese Verbindungen werden auch bei der Verwesung von tierischem Eiweiss gebildet. Vorläufige Experimente haben gezeigt, dass Fliegen der Gattungen Calliphora, Lucilia und Sarcophaga ( Sarcophagaceae ) tatsächlich von Dimethyldisulfid angelockt werden ( Borg-Karlson et al. , 1994 ).
Bis jetzt sind keine Veröffentlichungen über Geruchsstoffe anderer Rutenpilze erschienen. Bei Auslaufversuchen mit Clathrus ruber Eiern fiel es dem Autor auf, dass die Bechergläser unter denen sich die Fruchtkörper entwickelten, lange Zeit nach dem Experiment den Geruch festhielten. Offenbar wurden die kondensierten Geruchsstoffe stark an der Glasoberfläche adsorbiert. Da dieses Phänomen eine Möglichkeit zur Untersuchung darbot, wurde ein C. ruber so lange unter einem Becherglas gelassen, bis die Gleba innerhalb des Rezeptaculums-Gitters ganz verflüssigt war. Darauf wurde das Becherglas entfernt und sofort sorgfältig mit 0,5 ml Pentan-Diethylether gespült. Mittels Kapillargaschromatographie an einer DB-Wax Säule von 30 m x 0,25 mm und Massenspektrometrie wurden in diesem 'Extrakt' Dimethyldisulfid, Dimethyltrisulfid , trans-Ocimen, Linalol und Essigsäure nachgewiesen. Obwohl die Isolierungstechnik wenig quantitativ sein dürfte, sind die Ergebnisse doch bemerkenswert : die Menge an Schwefelverbindungen war deutlich geringer als jene der anderen Geruchskomponenten. Vielleicht könnte dies erklären, warum der Geruch des Roten Gitterlings weniger penetrant ist als der der Stinkmorchel. Letztere findet man im allgemeinen durch den Geruch, was nicht oder kaum für C. ruber zutrifft. So ist es durchaus möglich, dass eine Kolonie dieser Gitterlinge unbemerkt bleibt, wenn man sie nicht sucht, was bei P. impudicus undenkbar ist. Die Clathri, die ich in Gärten und Parks in Frankreich, Spanien und in der Schweiz antraf ( Stijve, 1994 ), habe ich jedesmal durch die auffällige rote Farbe gefunden.

Farbstoffe
Wie schon früher erwähnt, könnten Farbstoffe, vor allem rote, auch an der Anlockung der Aasfliegen beteiligt sein. Es war darum angebracht, die Pigmente, die gewissen Vertretern der Gattungen Clathrus, Mutinus und Anthurus solch eine schöne Farbe geben, näher zu untersuchen.
Vor etwa 30 Jahren ( Stijve, unveröffentlicht ) habe ich mal das lackrote Stielende einer Hundsrute ( Mutinus caninus ) in Aethanol mazeriert, was innerhalb einer Woche eine gelbe Tinktur lieferte. Diese Flüssigkeit zeigte ein Absorptionsspektrum mit Maxima bei 445, 470 und 500 nm, was wohl charakteristisch für Carotenoide ist, einer von Karoten abgeleiteten Pigmentgruppe, die der gemeinen Möhre ihre schöne orangerote Farbe verleiht. Nun gibt es derartige Farbstoffe in vielen Pilzen, wie z.B. in Pfifferlingen und Becherlingen wie Aleuria aurantia und Caloscypha fulgens. Ihre Anwesenheit ist konstant und kann sogar als taxonomisches Merkmal benützt werden. Ein guter, aber schwieriger Uebersichtsartikel stammt von Valadon ( 1976 ). Man darf aber das Vorkommen der Carotenoide in Makrofungi nicht verallgemeinern. So enthalten der Fliegenpilz und die bunten Vertreter der Gattungen Dermocybe und Hygrocybe ganz andere Farbstoffe.
Meine Untersuchungen bezüglich Farbstoffen in M. caninus habe ich damals nicht fortgesetzt, weil das vorhandene Material für die damaligen, aufwendigen Analysenmethoden nicht ausreichte. Erst 14 Jahre später untersuchte Harashima ( 1978 ) die Pigmente von Phallus rugulosus ( Fisch. O. Kuntze ), einer Art, die wie ein grosser M. caninus aussieht, aber mit einem deutlichen, abnehmbaren und konischen Hut. Der lange Stiel ist gelb bis orangerot gefärbt ( Imazeki & Hondo, 1981 ). Der Pilz ist wahrscheinlich identisch mit P. rubicundus ( Bosc.) Fr., einer ziemlich gemeinen Art im Süden der Vereinigten Staaten. Wie dem auch sei, dem japanischen Wissenschaftler gelang es, aus 13 Exemplaren dieses Pilzes ( total 67 g ) zwei kristallisierte Farbstoffe zu isolieren, welche er als beta-Karoten und Lycopen identifizierte. Die Farben des exotischen Rutenpilzes rühren also von Pigmenten her, die man auch in Möhren und Tomaten findet !
Schon 5 Jahre früher hatten Fiasson und Petersen ( 1973 ) gezeigt, dass diese Farbstoffe auch im roten Rezeptaculum des Gitterlings ( C. ruber ) anwesend waren. Erst in den 90er Jahren, als die Flüssigkeitschromatographie die schnelle und zuverlässige Analyse solcher Pigmente ermöglicht hatte, wurde die Untersuchung dieses Pilzes im Nestlé Forschungszentrum ( Stijve & Tagliaferri) wieder aufgegriffen. Dabei war es möglich kleine Fragmente aus dem sich entwickelten Rezeptaculum zu schneiden und individuell zu analysieren. Die anwesenden Farbstoffe erwiesen sich tatsächlich als Lycopen und beta-Karoten , obwohl auch eine kleine Menge Neurosporen nachgewiesen wurde. Natürlich schwankten die Mengen mit der Intensität der Farbe des Gitters. Typische Konzentrationen für eine durchschnittliche rote Farbe waren 1 % Lycopen und 0,1 % beta-Karoten, bezogen auf die Trockenmasse.
Es ist klar, dass die Aasfliegen vor allem durch den kadaverartigen Geruch der Rutenpilze angelockt werden. Die rote Farbe kann dabei – aus kurzer Entfernung – helfen, aber sie ist nicht die einzige Attraktion. Tomaten werden ja auch nicht von Aasfliegen besucht !
Die Geruchskomponenten und deren Entstehung bei der Verflüssigung der Gleba sollten eindringlicher untersucht werden. Die Unterschiede der bisher veröffentlichten Analysenergebnisse sind gross, was durch die verschiedenen, zeitlich bedingten Analysentechniken erklärt werden kann. Mit den heutigen modernen Verfahren sollte es möglich sein die Geruchsentwicklung eines Rutenpilzes mittels periodischer Musternahme des Kopfraumes der Gleba, und anschliessender gaschromatographisch- massenspektrometrischer Analyse , zu verfolgen. In diesem Zusammenhang wäre es auch interessant, die chemische Unwandlung der im embryonalen Pilz anwesenden Stoffe beim Auslaufen des Rezeptaculums zu studieren. Das letzte Wort über die Chemie der Rutenpilze ist noch lange nicht gesprochen.

References

Aye, L., 1932. Ein flüchtiges Oel aus der Stinkmorchel, Dtsch Apotheker Ztg. 68: 1027 - 1029.

Bindler, H. J., 1967. Untersuchungen an Pilzinhaltstoffen. Der Schleim des Hexeneies, Phallus impudicus L. Dissertation Marburg.

Borg - Karlson, A.K., F.O. Englund and C.R. Unelius. 1994. Dimethyl oligosulphides, major volatiles released from Sauromatum guttatum and Phallus impudicus. Phytochemistry 35 (2): 321 - 323

Braconnot, H., 1811. Ann. Chimie Vol.24, Tom. 79 - 80, p. 291.

Fiasson, J.L. & R.H. Petersen. 1973. Carotenes in the fungus Clathrus ruber (Gasteromycetes). Mycologia 65: 201 - 203.

Freund, B., 1967. Die Geruchstoffe der Stinkmorchel, Phallus impudicus L. Inaugural - Dissertation, Marburg.

Fulton, T.W. 1889. The Dispersion of the Spores of Fungi by the Agency of Insects, with special reference to the Phalloidei. Annals of Botany, Vol.III. No.X : 207 – 238 .

Hadrianus, J. , 1601. Phalli ex fungorum genere in Hollandiae sabuletis passim crescentis descriptio.

Harashima, K., 1978. Carotenoids of a Red Toadstool, Phallus rugulosus. Agric. Biol. Chem. 42 (10): 1961 - 1962.

Imazeki, R. & T. Hongo, 1981. Coloured Illustrations of Fungi of Japan. Fig. 331, p. 169. Hoikusha Publ. Ltd, Osaka.

Klaassen, E., 1964. Waarnemingen bij de Grote Stinkzwam. Coolia 11: 29.

Lütjeharms, W.J., 1931. Observations historiques et systématiques sur les Phalloïdées dans les Pays Bas, à propos d’une trouvaille récente du Lysurus australiensis. Mededelingen `s Rijks Herbarium Leiden, no 68, 1 - 15.

Ramsbottom, J. 1953. Mushrooms and Toadstools, Chapter 16, Collins, London.

Schaeffer, J.C., 1760. Der Gichtschwamm mit grünschleimigem Hute. Verlegts Johann Leopold Montag, Regensburg.

Stijve, T. 1965. Een chemisch onderzoek van de grote stinkzwam (Phallus impudicus ) Coolia 11 : 40 - 41.

Stijve, T., 1966. Iets over de geurontwikkeling bij de grote stinkzwam. Coolia 13 : 20 - 22.

Stijve, T., 1994. Avonturen met Clathrus ruber. Coolia 37 : 96 - 103.

Stijve, T. & E. Tagliaferri. 1994. Clathrus ruber : teneur en béta-carotène et lycopène. Note de recherche R&D - R/ QS. Rapport interne du Centre de Recherche Nestlé.

Valadon, L.R.G., 1976. Carotenoids as additional taxonomic characters in fungi : A Review. Trans. Br. mycol. Soc. 67 (1): 1 - 15.




©Tjakko Stijve


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