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Pilze Pilze Forum Archiv 2003
Möglich, aber...
Geschrieben von: Christoph Antwort auf: Re: Einspruch! (Georg)
Datum: 17. Februar 2003, 21:44 Uhr
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Hallo Georg, : In 10 oder 20 Jahren werden wir die vieltausendfache Rechenleistung
Das ist sicher richtig, davon gehe ich auch aus. : Ganze Genome können dann
Sorry - aber nein. Sequenzieren heißt die Basenpaare auslesen. Das geschieht nicht mit Computern. Erst mal muss man die DNA isolieren, reinigen, dann mittels PCR amplifizieren, dann zerstückeln und so weiter und so fort. Am Ende bekommt man einen Wust von Sequenzen. Dann kommt der Computer, das ist richtig. Denn wenn man, wie es ja beim Human Genome versucht wurde, anhand von Unmengen an Stückwerk das Puzzle mit dem Rechner wieder zusammenzusetzen (um eben das Sequenzieren an sich schneller ablaufen zu lassen), ja dann braucht man die Rechenleistung. Aber die Fehlerquote bleibt. Zweites großes Problem: das Alignment. Aber da können Rechner natürlich auch helfen, auch wenn man trotzdem auf Finessen wie Mikrosatelitten etc. reinfallen kann (so wie es unlängst bei den Birkenpilzen mal passiert ist). Drittes großes (das größte) Problem: eben das Unterscheiden von Ähnlichkeit und Verwandtschaft. Um zu wissen, was welches Gen ausdrückt, muss man es erkennen, wissen, wofür welche Stelle des Genoms gut ist. Da helfen die Computer auch nicht unbedingt weiter. Bislang hat man z.B. bei Versuchstieren Teile des Genoms (z.B. bei Drosophila, die komplett sequenziert ist) zerstört, um zu sehen, was am Tier dann in der Entwicklung ausfällt... nicht gerade einfach. Da ist der Anatom immer noch schneller und dann auch billiger! Wie gesagt, der Rechner käme am Ende bei der Auswertung der Daten. Die Daten ("Merkmale", "Basenpaare") erzeugt ja nicht der Computer. Und selbst wenn ich weiß, dass zwei Taxa das selbe Gen haben, ist es dann eine Konvergenz? Welche Gene sind plesiomorph, welche apomorph? Viertes (sehr großes) Problem: Tickt die genetische Uhr überall gleich schnell? Sicher nicht. Das Genom verändert sich durch Mutationen. So lange die Umwelt konstant ist und die Art gut eingenischt ist, ist die Wahrscheinlichkeit von Verbesserungen geringer, als wenn sie in ein neues Gebiet ("Darwinfinken") verfrachtet wurde, wo Nischen offen sind und sie noch nicht "angepasst" ist. Dort ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sich Änderungen im Genom manifestieren können, Änderungen können vorteilhaft sein. Ergo wird sich das Taxon recht bald aufspalten, das Genom wird sich verändern. Dort, wo Veränderungen meist negativ ausfallen, weil die Art bereits nahezu "optimal" ist, dort werden die mutierten kaum eine Chance haben, zu überleben. Sie werden wieder verwschwinden. Das Genom bleibt "konservativer". Und das ist auch der Grnd für die lange Zeit des Stillstandes in der Evolution, bis sich die Umwelt irgendwann (Katastrophe) drastisch ändert und eine irre Radiation beginnt, so z.B. die kambrische Explosion. Und wie will ich mit den besten Rechnern Äpfel mit Birnen vergleichen? Bei den einen hat sich das genom schnell und deutlich verändert, bei anderen langsamer... gehe ich nur nach Ähnlichkeit lande ich Schiffbruch. Ich muss also herausfinden, welche Bereiche des Genoms wie konservativ sind, und welche wie veränderlich und das im Kontext der Zeit und der Umgebung... Viel Spaß, ist sicher nicht so leicht.
Fünftes großes Problem (auf Artebene). Wie will ich die "Art" denn genetisch definieren? Anhand prozentualer Ähnlichkeit im Genom? Wo ist die Grenze? Wo ist das "Kreuzungsgen"? Ist dieses mutiert, habe ich dann ne neue Art oder nur ein zeugungsunfähiges Viech? Letzten Endes müsste man einen Computer entwickeln, der nicht nur rechnen kann, sondern den Kauderwelsch unserer DNA auch direkt ins Deutsche/Englische übersetzen könnte. Nur dass das meiste anscheinend Nonsens ist, aber dann doch nicht (irgendwelche Proteine, die andocken können und bei der Faltung der DNA wichtig sind, ohne dass ein Gen kodiert... oder tausend andere Möglichkeiten). Und dass das gelingt, glaube ich weder in den nächsten 10 Jahren, noch in den nächsten 100 Jahren... Wenn ich weiß, wo genau z.B. die Sporengröße kodiert ist, dafür Jahre (Jahrzenhte?) brauche, das festzustellen, dann ging es schon seit Jahrhunderten billiger und einfacher, wenn ich sie direkt messe (kann auch der Computer übernehmen). : Zusammen mit weltweit über das Netz sofort verfügbarer Datenbanken wird so
Deinen Göeuben in Ehren, aber da bin ich Skeptiker. Ich hoffe, dass man weit kommt. Man könnte viele Krankheiten therapieren. Und das wäre noch wichtiger als zu wissen, welcher Wasserkopf eine "echte" Art ist und welche ein "Witz". Und meines Wissens traut sich niemand, auch nicht die hochrangigsten Mediziner, zu orakeln, dass es in den nächsten Jahrzehnten klappen wird. Die Natur hatte Jahrmillionen Zeit, die Daten zu verschlüsseln, Sackgassen zu gehen, zurück zu gehen, wieder nach vorne, nach links, nach rechts, dann geht was kaputt, dann wirds ersetzt usw. Nein, da helfen auch keine Supercomputer. Dafür müssten wir das Wunder Leben an sich komplett begreifen. Vielleicht schafft es die Menschheit ja irgendwann. Bis dahin sind für mich die DNA-Stammbäume sehr sehr hilfreich, notwendig und wichtig, aber nicht das Allheilmittel um die Fragen der Systematik zu klären. Das wäre an sich trotzdem ein spannendes Diskussionsthema... Grüße
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