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Cortinarius vernus var. nevadavernus

Geschrieben von: jesko
Datum: 9. April 2014, 00:33 Uhr

Antwort auf: Cortinarius vernus? (Klaas)

Hallo Klaas und alle anderen,

auch nach meinem Kenntnisstand wurde die Sippe nevadavernus bislang nur auf Varietätsebene vorgeschlagen, und das hat wohl auch gute Gründe.
In der Arbeit, in der dies geschehen ist, wurden Vertreter der Sektion Hydrocybe (Untergattung Telamonia) sowohl morphologisch als auch molekular (ITS-Sequenzierung) untersucht. Allerdings weisen weder die morphologischen noch die molekularen Daten weisen klar darauf hin, dass es hier „zwei vernus“ gibt, daher auch die Entscheidung, „nur“ eine Varietät aufzustellen, was keinen Sinn hätte, wenn man etwa anhand der Sequenzen eine klare taxonomische Situation erkennen kann.

Um zunächst mit einem Missverständnis in diesem Thread aufzuräumen: Die Autoren von Cortinarius vernus var. nevadavernus behaupten nirgendwo, dass es signifikante mikromorphologische Unterschiede (Sporengröße, Lamellenschneide) zwischen beiden Sippen gibt. Im Gegenteil: Eine Unterscheidung soll nur anhand des Geruchs (nevadavernus soll nicht den petersilienartig würzigen vernus-Geruch haben) und der Fruktifikationszeit (nevadavernus im Frühjahr, vernus im Herbst) möglich sein (S. 18: „These two varieties can hardly be distinguished based on morphological characters, but the fruiting period and context smell are diagnostic criteria“). Was nun meine eigenen Erfahrungen mit dieser recht häufigen Sippe angeht, so riechen bei mir im Frühjahr gefundene Exemplare genauso wie die im Herbst (Geruch immer gleich notiert). Zur Fruktifikationszeit kann ich zu meiner Gegend sagen, dass man C. vernus von April bis November sammeln kann, feuchtkühle Witterung vorausgesetzt, und ich habe die Art auch in allen Monaten dazwischen gefunden. Oft beobachtet man an denselben Standorten Fruchtkörper sowohl im Frühjahr als auch im Herbst. Bei Sporengröße und Lamellenschneide habe ich bislang ebenfalls keine wesentlichen Unterschiede feststellen können.

Wie sieht es dann also mit den molekularen Daten aus, aufgrund derer die Varietät nevadavernus abgetrennt wurde? Die im Kladogramm enthaltenen 9 vernus-Kollektionen zerfallen in der Tat in zwei Gruppen, von denen eine 5 Frühjahrskolletionen und die andere 4 Spätsommer-/Herbstkollektionen enthält. Der Unterschied in den Sequenzen erscheint dabei nicht so riesig, als dass er ohne Stützung durch morphologische/ökologische Merkmale die Abtrennung einer eigenen Art rechtfertigen würde. Zudem ist die Verzweigung zwischen beiden Gruppen nur durch einen mäßigen Bootstrap-Wert von 77 unterstützt, was bedeutet, dass das Ganze z.B. bei Hinzufügen weiterer Daten, Änderung der Außengruppe usw. auch etwas anders aussehen könnte. Jedenfalls fällt der im Spätsommer gesammelte Holotyp von vernus nicht in die Gruppe der Frühjahrskollektionen, weshalb diese nun die neu vorgeschlagene Varietät darstellen müssen und der „Frühjahrs-Wasserkopf“ eine Herbstsippe wäre.

Mein Fazit dazu wäre, dass hier eigentlich Untersuchungen auf einer breiteren Datengrundlage (mehr Kollektionen mit größerer ökologischer Diversifizierung, mehr Loci, mehr Morphologie ...) fehlen, um die taxonomische Situation (d.h. wie viele Arten/Varietäten usw.) als abschließend geklärt zu betrachten. Ich denke, man sollte im Hinterkopf behalten, dass in C. vernus möglicherweise mehrere Sippen stecken oder dass es sich um einen Artentstehungskomplex handelt, aber dass es vielleicht auch nur eine einzige Art mit variabler ITS ist. Bliebe noch die nomenklatorische Frage zu prüfen, ob es wirklich nötig war, die weit verbreitete und recht häufige Art, die lange unter dem Namen C. erythrinus bekannt war, neu zu beschreiben, ob man nicht doch den Namen erythrinus für sie hätte „retten“ können und ob es nicht außer erythrinus noch andere ältere Namen für sie gegeben hätte. Das will ich heute Abend nicht mehr leisten, aber ich fürchte, es gibt so manche alte Namen, die einfach („ohne Rechtsgrundlage“, wie es der Anwalt formulieren würde) als nomina dubia abgetan werden und nur typisiert werden müssten, um so einige neuere Arten zu Fall zu bringen.

Viele Grüße und GN,
Jesko

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