Hallo Jochen,
nein, da missverstehst Du mich: Es ging mir nicht darum zu sagen, dass alles relativ ist und dass es sich deswegen nicht lohne, sich mit Taxonomie zu befassen, sondern ich wollte zum einen sagen, das "Ordnungen" zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt unter bestimmten historischen Bedingungen entstehen, aber auch, wenn sich andere Sytematiken wissenschaftlich "durchsetzen" (und das geschieht ja immer wieder und manchmal eben nicht weil sie "wahrer" als die alten sind), diese Ordnungen eben auch wieder "vergehen" bzw. "veralten" können. Sie sind deswegen nicht weniger richtig oder falsch; im Rahmen ihrer Zeit sind sie natürlich richtig und müssen auch benutzt werden, wenn man wissenschaftlich arbeiten möchte. Ein Beispiel dazu: Mendels Vererbungslehre. Der führte 1865 seine Experimente durch, die heute allgemein anerkanntes Schulwissen darstellen; das hat zu seiner Zeit aber niemanden interessiert, weil es nicht in die biologische Systematik der Zeit passte. Im Gegenteil: man sagte, die Experimente können nicht stimmen oder man ignorierte Mendel einfach. Erst um 1900, als die biologische Systematik sich geändert hatte und Mendels Experimente plötzlich in die Systematik passten, konnte er "wiederentdeckt" werden (40 Jahre danach!). Genauso kann es in 50 Jahren sein: was wir heute für gesichertes Wissen (in gleich welchem Bereich) halten, kann dann möglicherweise nicht mehr als Wissen gelten, weil die Wissenschaft nach anderen Prinzipien funktioniert.
Der zweite Aspekt ist: die taxonomischen Systeme, die man im 18. Jahrhundert entworfen hat und die wir noch heute benutzen, auch wenn sie bestimmte gravierende, in Systemlogik liegende Probleme aufweisen, "leisten" ja auch bestimmte Dinge: man kann damit ein Großteil der "Arten" erfassen (bzw. beschreiben), man kann damit ein Großteil der Arten "klassifizieren", man kann damit dann z.B. Ökologie-Projekte starten usw. Anders ausgedrückt: Wir haben nichts anders als diese Taxonomie und müssen daher damit arbeiten, ob wir wollen oder nicht. Vielleicht werden ja die Forscher der Zukunft andere Systeme entwickeln...
Und auch noch eine Anmerkung zum Art-Begriff, der ja selbst auch problematisch ist: 1. man denke nur an die sog. Nebenfruchtformen, 2. an Phänomene des Wirtswechsels oder 3. an "Arten" (hier denke ich v.a. an "Würmer"), die m.W. bis zu 5 verschiedene Stadien durchlaufen - ist das alles noch eine Art oder zwei oder drei usw.? Ich denke, die Frage ist schwierig zu beantworten...
Ich hoffe, ich habe meine Anmerkungen etwas deutlicher machen können.
VG Uwe
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